Sonntag, 30. Oktober 2016

3. Tag - Und jetzt?
Nach einer Nacht, die wieder geprägt war von den Ereignissen, beginnt der Tag mit einem wunderschönen Sonnenaufgang. So erleuchtet kam ich im Tagungszentrum an, doch irgendwie merkte ich schon beim Eintreten in den Saal, dass heute alles anders wird. Mein Bauchgefühl hat mich auch nicht getäuscht: eine Seminarleiterin ist in der Nacht so schwer erkrankt, dass sie in die Klinik gebracht werden musste. Alles was sie uns dagelassen hat, waren Manuskripte von den heutigen Themen, die wir besprechen und bearbeiten wollten. Ratlosigkeit stand im Raum, jeder dachte über die Situation nach. Wir sind dann schnell alle der Meinung gewesen, dass wir unsere Blitzrunde machen wollten, wie jeden Morgen. So verging eine Stunde, wir tauschten uns aus wie es uns gestern ergangen ist und ich dachte im Stillen, was für wunderbare Menschen hier sitzen. Alle diese Mitstreiter legen dir ihre Geschichte vor, ohne etwas auszulassen. Sie schämen sich nicht für ihre Gefühle und Tränen, denn wir alle fühlen uns angenommen und ernstgenommen, wir haben alle diesen schweren und mutigen Weg vor uns. Das Leben ist so unberechenbar, man muss es annehmen wie es ist.

 Nur zusammen können wir alles schaffen, das ist in unserer Familie der Leitspruch.

Samstag, 29. Oktober 2016

1. Tag - Die Reise beginnt
Endlich geht es los, die Warterei hat ein Ende. Ehrlich gesagt, die ganzen Wochen des Wartens waren nicht so schlimm wie die letzte halbe Stunde, bevor ich mich auf den Weg machen durfte. Ich bin so aufgeregt wie an meinem Tag der Hochzeit, damals wusste ich auch nicht was auf mich zukommt. Im Tagungszentrum angekommen, trafen auch die anderen Mitstreiterinnen und Mitstreiter ein. Bei der Beobachtung im Stuhlkreis kommen einem schon so Gedanken, was all diese Menschen erlebt haben, dass sie, wie auch ich, den Mut am Leben verloren haben.
Am Anfang steht natürlich das Kennenlernen. Die erste Aufgabe bestand darin, sich einen Interviewpartner zu suchen und ihn zu befragen, und ihn dann nach einer bestimmten Zeit allen anderen vorzustellen. Der Partner wiederum stellt mich vor, ich konnte ergänzen was mir wichtig war. Danach hatte wir eine kleine Bewegungsrunde, und die hat gut getan nach dem langen Sitzen. Zwischen den verschiedenen Aufgaben bekommen wir immer genügend Zeit, um zur Ruhe zu kommen und über die Diskussionen und Gedanken in Stille zu verweilen. Das Schwierige an diesem Prozess ist das Ausformulieren und Aufschreiben von verschiedenen Aufgaben, denn sie haben immer mit dem Erlebten zu tun. Wodurch unterscheiden sich eigene Regeln, Gruppenregeln und Trainerregeln während der Dauer der Ausbildung? Es ist nicht einfach, eigene Regeln an sich aufzustellen, weil man leicht in "Achtsamkeitsregeln" verfällt. Was daran so anstrengend ist ; zuallererst schreibt man seine Gedanken auf, dann sucht man sich einen Partner und tauscht sich aus; und nach Auslosung einer Gruppenzugehörigkeit bespricht man sich nochmals. Dieses Ergebnis wiederum wird dann auf einem Flipchartpapier ausformuliert und den Übrigen präsentiert und besprochen. Am Ende diesen ersten Tages habe ich viel Neues gehört, Ansichten und Vorgehensweisen der Mitstreiter. Das muss erst mal sortiert werden, was mir eine schlaflose Nacht bereitete.

2. Tag - Gesundheit
Die Nacht war kurz, trotzdem freue ich mich jetzt wieder auf die Gruppe und bin bereit, mich so gut es geht einzubringen und gleichzeitig mich zu öffnen. Das Hauptthema ist: Gesundheitsorientierte Haltung. Was ist eigentlich Gesundheit? Habt Ihr das mal überlegt? Wie definiert man Gesundheit? Wer ist gesund oder krank? Als ich im Krankenhaus lag, wurden zwei Wochen lang alle möglichen Untersuchungen durchgeführt, ich wurde sozusagen auf den Kopf gestellt. Insgeheim hatte ich gehofft, sie finden ein Magengeschwür oder dergleichen. Doch gleichzeitig wusste ich auch, dass sie nichts finden würden. Und so kam es, ich hatte jetzt meinen Stempel: psychosomatische Belastungsstörung. Nichts greifbares auf den ersten Blick, lieber wäre mir ein gebrochener Arzt gewesen. Da ist die Behandlung klar, so konnte mir keiner richtig sagen, wie man diese Störung in der Griff und wieder aus seinem Leben bekommt.
Nach einer längeren Mittagspause (wir bekommen ein Mittagessen, genügend Getränke, Kuchen und Nüsse) ging es zur nächsten Aufgabe: Trifft die Maslowsche Bedürfnisspyramide auch auf mich zu oder sind da Unsicherheiten? Auf Wikipedia könnt Ihr Euch schlau machen um was es geht. Auch hier hatten wir die Aufgabe, in der Gruppe darüber zu diskutieren und nach einer Besprechungszeit unseren Eindruck wiederzugeben. Das dauerte länger als wir dachten, auch kamen wir nicht alle zu der selben Ansicht. Das jedoch ist ja gewollt, wir sollen lernen, dass verschieden Ansichten und Meinungen in Ordnung sind.
Der letzte Teil dieses Tages besteht darin, unsere ausgesuchten Wohlfühldinge von zu Hause der Gruppe zu zeigen und zu beschreiben, warum gerade diese Dinge so wichtig für uns sind und wie sie uns helfen, in angespannten Situationen oder wichtigen Gesprächen und Entscheidungen entspannter zu bleiben. Es ist eine Art Rettungsanker oder Schutzengel. Ich glaube, jeder von uns hat so einen Wohlfühlgegenstand oder Kuscheltier, Buch oder CD, Kreuz oder Steine, an denen wir uns mental oder auch körperlich festhalten wenn es nötig ist. Und das ist gut so....
Dieser Tag ist so schnell vorbei, wir haben viel gearbeitet, ernsthaft diskutiert aber auch gelacht. Mit diesen guten Gedanken fahre ich nach Hause, und freue mich auf morgen. Schlafen kann ich heute Nacht bestimmt, da ich ja jetzt weiß: dieser Weg ist gut für mich.
Wünsche Euch allen eine gute Nacht.

Sonntag, 23. Oktober 2016

EX-IN - Experte aus Erfahrung - von der Ausbildung in die Praxis

Am 28. Oktober 2016 startet meine Ausbildung zur Genesungsbegleiterin in der Rheinhessen Fachklinik in Alzey. Dieses für mich ganz neue Berufsfeld hat mich so sehr angesprochen, dass ich es einfach machen muss. Die Bewerbungsphase habe ich erfolgreich überstanden, so dass ich mit 22 mir fremden Personen diese spannende und anstrengende Reise antreten werde.

Damit Ihr versteht um was es geht, hier die offizielle Beschreibung:
Die Initiative
Zahlreiche Untersuchungen haben nachgewiesen, dass die Beteiligung Psychiatrie-Erfahrener in Forschung, Ausbildung und in psychiatrischen Diensten einen großen Einfluss auf die Verbesserung der Angebote hat. Psychiatrie-Erfahrene verfügen über ein großes Wissen zu unterstützenden Haltungen, Methoden und Strukturen, das bisher kaum in die bestehende Versorgung einfließt. Mit der EX-IN Ausbildung möchte die Rheinhessen-Fachklinik Alzey ihre Versorgung durch dieses Wissen bereichern und zu einer Verbreitung der EX-IN Idee in der Region beitragen.

Die Ausbildung erstreckt sich über 12 Module über einen Zeitraum von insgesamt einem Jahr und orientiert sich am Curriculum von EX-IN Deutschland e.V. (wer mehr darüber erfahren möchte, kann im Internet nachlesen). Der Unterricht findet einmal im Monat von Freitag - Sonntag (264 UE) statt, dazu muss noch ein Praktikum von 120 Stunden absolviert und 48 Unterrichtseinheiten Portfolio/Mentorinnengruppe bearbeitet werden. Zusätzlich fallen 19 UE Praktikumsvor- und Nachbereitung.

Nach einer erfolgreichen Ausbildungszeit habe ich die große Hoffnung übernommen zu werden. Mit viel Glück gehöre ich dann zu den Zweien, die in der RFK bleiben dürfen.


Meine Idee zu diesem Blog

Für mich beginnt damit eine unbekannte Reise mit dem Ziel, akut Kranken in welcher Situation auch immer, zu begleiten und sie ein kleines Stück ins Leben zurück zu führen. Als ich vor 19 Jahren nach vielen, vielen Wochen aus der Klinik nach Hause entlassen wurde, hatte ich leider keinen Genesungsbegleiter an meiner Seite, der mir zeigte, wie ich das Gelernte auch im Alltag Schritt für Schritt umsetzen kann. Dazu die großen Ängste jeglicher Art, die mir alles nur noch schwerer machten. Das schlimmste Gefühl, an das ich mich heute noch gut erinnere, war die Versagensangst. Lange begleiteten mich Panikattacken in jeglicher Art und Weise, auch die Dauer war unterschiedlich.
Viele von Euch kennen mich und meine Geschichte. Ihr seid meine treuen Begleiter bis heute, und es erfüllt mich mit Stolz. Meiner ganzen Familie und allen die dazugehören danke ich sehr, mir immer geholfen und mich ausgehalten zu haben. Mit Worten kann ich das nicht beschreiben. Auch Ihr, meine Freundinnen und Freunde, seid mit Geld nicht zu bezahlen, danke für die schönen Stunden und Eure offenen Ohren, wenn ich jemanden zum Reden brauchte.
Damit Ihr immer auf dem Laufenden seid, wie es mit der Ausbildung läuft und wie es mir geht, könnt Ihr auf meinen Blog schauen und gespannt sein, was es Neues und Interessantes gibt. Und ich kann mir sicher sein, dass ich keinen von Euch vergessen habe, das Erlebte zu erzählen. Gleichzeitig hilft es mir wie eine Art Tagebuch.
So, ich hoffe Ihr habt viel Spaß mit meinem Blog .Natürlich freue ich mich über Kommentare und Fragen.