Dienstag, 30. Mai 2017

22. Tag - Assessment

Dieses Modul ist sehr geprägt von den Referaten, bei denen wir zugehört haben. An diesem Wochenende waren wir vier Teilnehmer, darunter auch ich. Ich kam am Samstag dran, zusammen mit einem Teilnehmer.

Dieser Blogeintrag wird nicht wie üblich sein, denn es gelingt mir nicht, irgendetwas ausführlich zu beschreiben, das Thema Assessment werde ich aber später etwas erklären.

Wenn ich an dieses Wochenende zurückdenke, bekomme ich Tränen in die Augen, denn das was ich dort bei den Referaten der Anderen hörte und dabei auch fühlte, ist schwer zu ertragen. Unsere Geschichten hatten eines gemeinsam: Alkoholkranke Mütter und Väter. Die aufgezeigten Schicksale, der ständige Überlebenskampf. Die unsäglichen Versuche Aufmerksamkeit zu bekommen, um kläglich zu scheitern. Als Jugendliche schon Schläge, Wutanfälle, Gegenstände die auf einen zufliegen, Androhung von Gewalt; wie soll man das aushalten, wie verarbeiten? Mit der Zeit baut sich jeder von uns seine eigene Welt auf, taucht als zweites Ich unter. Bekommt eine Psychose, wird manisch-depressiv oder wie ich depressiv mit Angstzuständen. Und leider hatten wir alle auch Suizidgedanken. Unsere Geschwister werden auch nicht geschont, so trifft es nicht nur uns selbst sondern die ganze Familie und das Umfeld. Alles verändert sich, jeder kämpft um sein Überleben, Gemeinschaft in diesem Sinne ist nicht mehr möglich.
Von Referat zu Referat wurde die Wut und die Ohnmacht bei mir so stark, dass mir nur noch die Tränen liefen. Da sitzen Menschen mit mir im Kreis, die wie ich schlimme Dinge gesehen und erlebt hatten. Ich lerne sie als liebenswerte und lustige Menschen kennen, mit denen man auch Spaß haben kann. Ein Mensch kann viel aushalten und ertragen, doch irgendwann wird die Seele krank und man kann nichts dagegen tun. Am Anfang dachte ich, das geht vorbei. Morgen kannst du wieder lachen, nein; das geht nicht. Etwas hält einen gefangen, eine bleierne Stimmung fällt dann auf mich und drückt mich nieder. Das ist mal da, dann ist es wieder weg; mal bleibt es nur kurz, dann wieder wochenlang. Und hast du dich dann rausgekämpft, denkst du jetzt hast du es geschafft. Doch bei der nächsten belastenden Situation fängt diese Spirale von vorne an. Da kann dich nichts und niemand aufheitern oder trösten. Ich weiß gar nicht mehr, wie viele Stunden ich am weinen und verzweifeln war; mit Selbstvorwürfen machte ich es noch schlimmer. Das ist mit dem Verstand nicht zu begreifen.

Am Sonntag nach dem letzten Referat, haben alle (wirklich alle) geweint, die vorgetragene Geschichte übertraf alles, was man sich vorstellen kann. Und das höre ich von dem Menschen, der mich aus meinem Rückfall im Februar zurückgeholt hat, mit dem ich schon feiern war und er ein ganz liebenswerter toller Freund für mich geworden ist. Es war minutenlang still.
Eine Teilnehmerin bekam kaum Luft, sie schilderte es als Fassungslosigkeit. Wie kann man seiner Familie und vor allem den Kindern so Schreckliches antun? Wie überlebt man so etwas? Ihr war gar nicht bewusst, wie viel Gewalt in Familien herrscht. Da wurde mir auch klar, was für eine schlimme Zeit hinter mir liegt, dessen Ausmaß ich bis vor kurzem nicht bewusst wahrgenommen habe. Nach diesem Modul war ich bis Donnertag nicht ansprechbar, ich zog mich zurück; in meine Welt. Ich wurde sprachlos und freudlos angesichts der Tatsache, wie schwer dieser Kampf ins Leben zurück war. Und wie lange er dauerte. Gleichzeitig darf ich mich nicht zurücklehnen und sagen, es ist vorbei. Denn es kann schnell wieder über mich kommen, wenn ich nicht achtsam mit mir bin.
Heute freue ich mich über den Tag und dass es mir gut geht. Ich schaue in den Spiegel und sehe ein Lächeln. :)))





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen