Samstag, 29. April 2017

19. Tag - Fürsprache

Zwischen beiden Modulen ging es mir sehr gut. Die Themen, die wir jetzt behandeln, sollen uns aufzeigen, wie wir mit zukünftigen Betroffenen arbeiten und wie wir ihre Interessen und Belange gegenüber Profis, Angehörigen und Institutionen vertreten und gegebenenfalls durchsetzten können.

Nach der Blitzlichtrunde wurde erst ein Referat eines Teilnehmers gehalten, es war wieder sehr bewegend. Das Gehörte muss erst mal reflektiert werden; dazu stehen wir alle wieder im Kreis und tauschen unsere Eindrücke aus. Der Referierende steht außerhalb und hört zu. Bisher war es immer so, dass der Referierende sehr gerührt war über die Eindrücke, die wir ihm indirekt berichteten. Und hilfreich. Natürlich ist jeder sehr erleichtert, es hinter sich gebracht zu haben. Denn seine eigene Lebensgeschichte vorzutragen ist eine Herausforderung. Dieser Herausforderung muss ich mich das nächste Modul stellen, am Samstag bin ich dran. :((

Kaffeepause.

Unser Dozent stellte uns einen Gastreferenten vor, der schon einige Jahre als Patientenfürsprecher in einer Klinik arbeitet. Wir konnten ihm über eine Stunde die verschiedensten Fragen stellen. Er beantwortete geduldig und geerdet alle unsere Fragen ( und das waren sehr viele), was wir sehr gut fanden. Denn in diesem Bereich wollen wir ja mal arbeiten, und es ist einfach mal hilfreich zu hören, wie es in der Praxis läuft. Natürlich hat er auch von Dingen berichtet, die nicht gut liefen und wie wenig man da Einfluss hat, einzugreifen. Aber er hat auch von erfreulichen Ergebnissen berichtet und das ist auch der Grund, warum er dieses Ehrenamt ausführt. Außer dem Kilometergeld bekommt er kein Geld für dieses Arbeit, er macht dies aus Berufung. Tolle Menschen gibt es!!

Kaffeepause.

Danach kam ein wenig praktischer Teil, wir lernten die Grundlagen des Rechtsstaatsprinzips kennen. Das Rechtsstaatsprinzip (allgemeines Grundrecht) heißt:
  • Selbstbestimmung
  • Freiheit
  • körperliche Unversehrtheit
Das Sozialstaatsprinzip bedeutet:
  • Unterstützung für Menschen in Notlagen
  • und besondere Lebenslagen
Im Grundgesetz steht folgendes:
  • das Recht auf Selbstbestimmung
  • Recht auf Hilfe im Rahmen der Gesetze
  • die Unantastbarkeit der Würde
  • Privatheit
  • Bürgerrechte
Dieses Thema wurde mit etwa einer Stunde behandelt, was jedoch bei weitem nicht ausreicht. Am Sonntag bekommen wir dann nochmals Gelegenheit uns damit zu beschäftigen.

Anschließend eine weitere Gruppenarbeit: Welche Erfahrungen habe ich mit Fürsprache?





Danach wurden die Ergebnisse in großer Runde ausgetauscht und besprochen. Eigentlich hält man überall Fürsprache für alles und jeden, ohne dass man sich darüber bewusst wird. :))

Der Abschluss bildete die Blitzlichtrunde und ziemlich entspannt fuhr ich nach Hause. Bis morgen.

Donnerstag, 6. April 2017

18. Tag - Was ist der Sinn einer Krise?

Das fragte ich mich oft. Früher konnte ich nichts Gutes daran finden. Erst viel später spürt man eine Veränderung, und es braucht lange Zeit, bis man das erkennt. Was soll daran sinnvoll sein, wenn man am Boden liegt und kaum Kraft hat, aufzustehen? Immer und immer wieder muss dieser Weg gegangen werden, und auch Rückschläge gehören dazu.

Als an diesem Morgen ein Teilnehmer seine Lebensgeschichte vorträgt, wurde ich ganz traurig und dankbar, dass mir so ein Schicksal erspart geblieben ist. Sicher, mein Leben mit alkoholkranken Eltern war auch sehr belastend. Aber dieses Referat machte uns alle sprachlos und nachdenklich. Gleichzeitig war es aber auch sehr faszinierend anzusehen, dass dieser tolle Mensch, der hier spricht, das alte Leben hinter sich gelassen hat und vor einem steht. Mit solcher Freude am Leben und mit Zielen, die er erreichen will; dass ist der Lohn für seinen harten Weg den er durchschritten hat.

Kaffeepause.

Was der Sinn einer Krise ist? Darin waren wir uns nach großer Gruppenarbeit alle einig: wir wären heute nicht die Persönlichkeiten, die wir jetzt im Hier und Jetzt sind.
Ich habe mich nach langen Kämpfen und Verzweiflung von meinem Korsett befreit, dass mich eingeengt und erniedrigt hat. Ich habe gelernt loszulassen; das hat mir geholfen wieder mein Leben zu leben wie ich es für richtig halte. In den letzten Jahrzehnten versuchte ich mit allen Möglichkeiten, die Zuneigung und Anerkennung von meinen Eltern zu bekommen. Doch immer wieder endete es mit Enttäuschung, Wut und Hoffnungslosigkeit. Ich habe gelernt, dass es nur gelingen kann wenn beide beteiligten Seiten mitarbeiten und das gleiche Ziel verfolgen. Bei mir war das nicht der Fall. Seit ich den Kontakt zu meiner Mutter abgebrochen habe (es war kurz vor Weihnachten 2016) geht es mir gut wie seit langem nicht mehr, die negative Stimmung und die verbrauchte Energie rauben mir keinen Schlaf mehr; ich wandelte sie in positive Energie um und versuche mich in neuen Projekten. So kommt Stück für Stück mein Selbstvertrauen zurück.

Mittagspause.

Nach der Pause bekamen wir noch die Aufgabe:
Welche Arten von Selbsterforschung nutzt ihr? Es ging dabei aufzuschreiben, was einem hilft, um sich selbst besser kennenzulernen. Es gab jede Menge Dinge, die wir auf viele Flipcharts geschrieben haben. z.B. Achtsamkeitsübungen, Musik hören/machen, Bücher lesen, tanzen, laufen. Zusammengefasst kann man sagen: alles was einem gut tut und ruhig werden lässt und in diesem Moment einfach nur sein darf. Ohne etwas leisten zu müssen. Die Gedanken ruhen zu lassen und in sich ruhen. Mehr müssen wir nicht tun, einfach nur "sein".

Durch dieses Modul habe ich mich wieder ein Stück besser kennengelernt. Und das ist gut so.
Bis zum nächsten Blog wünsche ich Euch allen schöne sonnige Tage und ein fröhliches Osterfest.

Dienstag, 4. April 2017

17. Tag - Das Interview

Alles gut bei mir, die Nacht war ruhig. Ich fühlte mich ausgeruht und freute mich auf den Tag. Heute beschäftigten wir uns sehr intensiv mit dem Thema: welche Fragetechnik gibt es bei einem Interview und was ist das Ziel?
Wir lernen dabei von den Erfahrungen anderer, gleichzeitig reflektieren wir die eigenen Erfahrungen. Und wir erlernen mit Hilfe strukturierter Interviews andere zu unterstützen, mehr Klarheit über die eigenen Erfahrungen zu gewinnen.

Die Kunst des Fragens
Mit der richtigen Fragetechnik können wir
  1. Gesprächspartner oder Kollegen aktivieren
  2. die zwischenmenschlichen Beziehungen im Gespräch intensivieren
  3. neue Sichtweisen und Ideen kreieren und
  4. das Gespräch steuern.
 Innerhalb des Interviews unterscheidet man zwischen offenen und geschlossenen Fragen.
Offene Fragen: Mit offenen Fragen können wir dem/der Befragten eine Vielzahl an Beantwortungsmöglichkeiten einräumen. Dadurch schränken wir ihn in keiner Weise ein, akzeptieren aber auch kein einfaches "Ja" oder "Nein". So geben wir dem/der Befragten bewusst die Möglichkeit zu sagen, was er/sie denkt oder meint.
Geschlossene Fragen: Sie heißen so, weil die Frage selbst schon die Antwortmöglichkeiten definiert: die Antworten liegen in einem geschlossenen Bereich. Der Freiheitsgrad für den Antwortenden ist auf eine der zwei Möglichkeiten beschränkt:
  1. Variante 1: ja oder nein? (Hast Du die Unterlagen schon durchgesehen?)
  2. Variante 2: gelb oder grün? (Wann willst Du das nachholen, heute oder morgen?)
Außerdem gibt es noch die reflektierenden Fragen. Sie laden die/den Befragte/n dazu ein, gedanklich zu experimentieren. Auch sie werden im Konjunktiv formuliert. ("Wenn du die Möglichkeit sähest, ein bisschen Freizeit zu opfern, wofür würdest du sie sinnvoller Weise investieren?)

Kaffeepause.

Nach kurzer Pause musste ich mit meinem Partner ein strukturiertes Interview führen, das ca. 45 Minuten dauern sollte. Die Kunst lag nicht an den Fragen, die vorgegeben waren, sondern dass man seine eigenen Erfahrungen nicht mitgeteilt hat. Mein Partner musste schon einige Male lange überlegen, was er antworten wollte. So einfach waren die Fragen nicht zu verstehen.

Dann kam eine kleine Bewegungseinheit von mir. Ich brachte die Teilnehmer mit Bierdeckel und Tischtennisball dazu, sich zu bewegen und dabei auch noch Spaß zu haben. Das tat allen richtig gut und so durchgeschüttelt machten wir uns wieder an die Arbeit.

Dieses Mal wurde ich von meinem Partner mit den gleichen Fragen interviewt, doch ich stellte fest, dass es gar nicht so einfach war, auf der anderen Seite zu stehen. Fielen mir vorher noch alle Antworten spontan beim Fragen ein, so musste ich jetzt lange nachdenken, was wann und wo geschehen ist und wie es mir dabei ging.

Kaffeepause.

Und noch eine neue Art von Interview sollten wir kennenlernen: Reflecting-Team.
Wir wenden das schon bei uns in der Gruppe an, und zwar wenn ein Teilnehmer sein Referat hält.
Während er/sie es vorträgt, befindet er sich bei uns im Stuhlkreis oder steht neben uns. Nach dem Vortrag verlässt er/sie die Runde und setzt sich außen an den Rand vom Raum. Und jetzt beginnt das Reflecting-Team im Stuhlkreis: wir unterhalten uns respektvoll über das Gehörte und über den Vortragenden; wir geben kurze Stellungsnahmen wie das Gehörte auf uns wirkt und beschreiben wie es uns dabei geht. Dadurch können wir dem /der Referierenden ein gutes, sinnbringendes Feedback geben.
Im Anschluss an das Reflecting-Team wird der Referierende wieder in den Stuhlkreis aufgenommen. Er/sie benennt, ob und inwieweit ihm/ihr das Gesagte hilfreich oder angenehm gewesen ist. Das Setting wird aufgelöst und eine 10-minütige Pause festgelegt, um in Ruhe nochmals darüber nachdenken zu können.

Auch unser Kurs löst sich jetzt auf, es ist 17.00 Uhr und kein Raum mehr im Kopf zum denken frei. Zumindest bei mir, ich freue mich nur noch auf zu Hause und auf meine Familie. Bis morgen.....

Montag, 3. April 2017


Und mein Weg geht weiter...

In den letzten vier Wochen hat sich viel in mir bewegt. Nicht immer waren es positive Gefühle, doch die negativen Gedanken hatte ich schnell wieder im Griff.
In den letzten vier Wochen hatte ich zwei Abstürze, mit denen ich nicht gerechnet habe. Den ersten Absturz versuchte ich euch zu beschreiben, den zweiten Absturz erlebte ich mitten der Geburtstagsfeier meines Mannes. Ich merkte es schon am Mittagsessen, dass meine schwarze Wolke über mir schwebt, aber habe es leider nicht rechtzeitig geschafft mir eine Auszeit zu nehmen. Und dann gegen Abend ging es nicht mehr, ich litt unter Übelkeit, schlechte Gedanken und Angstzustände. Ich machte mir große Sorgen, dass ich in Zukunft wieder öfter darunter leiden könnte: das raubte mir alle Kräfte. Die Nacht war unglaublich schwer, irgendwann um 6.00 Uhr bin ich eingeschlafen. Nach ein paar Stunden Schlaf ging es mir relativ gut, konnte sogar frühstücken. Nachdem alles Gäste abgefahren waren, zog ich die Laufschuhe an und drehte eine große Runde. Und da war es wieder, das positive Gefühl. Freiheit, meinen Körper zu spüren und meinem gleichmäßigen Atem zuzuhören.
Ich habe jetzt endlich gegriffen, wie ich meine schwarze Wolke in den Griff bekomme und das fühlt sich super gut an. Mit einem komischen Gefühl machte ich mich dann am Freitag auf dem Weg zum nächsten Modul.

16. Tag - Selbsterforschung

 Das Modul Selbsterforschung dient der strukturierten Reflektion der eigenen Erfahrung. Gleichzeitig sollen die Teilnehmerinnen erlernen, mit Hilfe strukturierter Interviews andere Betroffene dabei zu unterstützen, mehr Klarheit über die eigenen Erfahrungen zu gewinnen. ( aus dem EX-IN-Curriculum für Trainerinnen)

Bevor wir in dieses Thema eintauchten, erzählte eine Teilnehmerin ihre Lebensgeschichte anhand eines Referates, das sehr bewegend war. Jeden Kurstag bis September muss jeweils ein Teilnehmer über sein Leben berichten, egal in welcher Form. Ich bin im Mai dran, habe gottseidank mein Referat schon länger geschrieben.

Dann ging es los: Was ist Selbstoffenbarung - oder auch Self-Disclosure genannt? Ein Teilgebiet der Kommunikationswissenschaften befasst sich mit der Frage: "Wie kommt es dazu, dass sich unsere Beziehungen zueinander vertiefen, während wir uns besser kennen lernen?"
Self Disclosure beschreibt in diesem Zusammenhang, auf welche Weise Menschen einander Informationen über sich selbst zukommen lassen. Indem wir unseren Gegenüber Informationen über uns geben, verstehen wir einander besser, machen wir den Kontext unserer Beziehung klarer, unmissverständlicher.

Self-Disclosure nach dem "Johari-Fenster" (von: Joseph Luft & Harry Ingham) beschreibt folgende Bereiche:
  1. Was ich über mich weiß und anderen gerne erzähle. Dies ist der Bereich freien Handelns, hier bin ich oft öffentliche Person, z.B. im Beruf oder im Verein. Die hier gezeigten Aspekte und Handlungsweisen sind anderen bekannt.
  2. Was ich nicht über mich weiß, was aber andere wissen. Der Bereich des "blinden Flecks", unser Balken im Auge. Hier sind Verhaltensweisen gemeint, die wir selbst nicht als auffällig an uns erkennen, oder die wir gar nicht sehen. Dafür jedoch die anderen. - Oder wir glauben etwas klar auszudrücken, was die anderen aber völlig anders auf-fassen. Feedback ist hier entweder erhellend oder verletzend!
  3. Was ich über mich weiß und für mich behalte. Bereich des Verbergens, z.B. heimlicher Süchte, böser Gedanken oder einer unrühmlichen Vergangenheit. Vorsicht: Hier sind wir ggf. erpressbar. Dieses Feld wird umso kleiner, je mehr wir Vertrauen zu anderen entwickeln.
  4. Was weder ich noch andere über mich wissen. Wir sind vielschichtiger als wir denken. Ab und an dringt etwas durch unser Unterbewusstsein hervor, das wir vor uns selbst verbergen, z.B. durch einen Traum. Wir sprechen hier von den verdrängten Anteilen dessen, was wir "Ich" nennen.
Viel Information, rege Diskussion im Stuhlkreis.

Kaffeepause.

Nach einem stärkenden Kaffee mussten wir folgende Aufgabe lösen: Nehme ein Erlebnis oder eine Situation aus deinem Leben und beschreibe sie anhand "Tuulas-Beziehungskommunikation". Erzähle es in der Küchenversion (fast jedem/jeder), in der Wohnzimmerfassung (Freunde, Familienmitglieder) und im Schlafzimmergeflüster (Eheleute, beste Freundin/bester Freund).

Ich suchte mir dafür das Thema Flitterwochen aus.
Küchenversion: Die Flitterwochen waren anstrengend, da es an der Hochzeitsfeier mal wieder zu Streitigkeiten innerhalb der Familie kam.
Wohnzimmerfassung: Ich lag in Salzburg im Krankenhaus mit dem Verdacht auf einen Nervenzusammenbruch. Die Tage in der Pension verbrachte ich nur schlafend oder heulend. Aber so richtig kann ich mich nicht mehr daran erinnern.
Schlafzimmergeflüster: ich erzählte meinem Mann ausführlich wie die Situation für mich ist und wie lange ich damit schon kämpfe. Erzählte ihm, wie schlecht es mir teilweise geht und dass ich Angst vor der Zukunft habe. Ich versuchte ihm zu beschreiben, wie sich die Symtome anfühlten und erzählte von meinen Gedanken die mich quälten.

Puh, Gedanken an früher kommen hoch. Doch dieses Mal kriegen sie mich nicht klein, denn das ist alles schon lange her. Im Hier und Jetzt geht es mir gut, das ist das Wichtigste. Auf dem Heimweg fühlte ich mich das erste Mal richtig gut und entspannt, welch Erfolg zum letzten Modul. :)))