12. Tag - Hoffnung
Diese Nacht war nicht erholsam. Tatsächlich hatte ich einen schlimmen, verwirrenden Traum und ich bin gespannt, ob irgend was davon im realen Leben eintritt.
Nach der Blitzlichtrunde wollte eine Teilnehmerin uns ihr "Beruhigungsmittel" vorstellen. Das Stricken. Sie strickt das Wochenende über und kommt dadurch zur Ruhe. Für jeden Teilnehmer hat sie eine Tüte mit Strickanleitung, 2 Nadeln und Wolle bereitgehalten, und auch die Nadeln waren schon aufgenommen. Am Anfang waren vor allem die Männer skeptisch, doch jeder hat sich auf diesen Versuch eingelassen und am Ende ( ca. 30 Min.) herrschte eine gelöste, lustige Stimmung; wir konnten über uns selbst und über den anderen schmunzeln.
Den Genesungsweg zu gehen, erfordert viel Mut, Kraft und Ausdauer. Und etwas sehr wichtiges darf auch nicht fehlen: die Hoffnung darauf, dass eine positive Veränderung möglich ist. Es ist dann auch egal, an wen oder was wir glauben, wir dürfen nur niemals damit aufhören zu hoffen.
Diese Hoffnungslosigkeit habe ich mehrere Male stark gespürt. Alles war mir gleichgültig geworden, auch mein Leben. Lieber wollte ich "weggehen", als diesen Schmerz länger aushalten zu müssen. Und ganz am Tiefpunkt, flackerte doch irgend ein winzig kleines Licht. Es wollte mir sagen, gib nicht auf; es lohnt sich zu kämpfen. Manchmal bin ich der Überzeugung, dass mein Sternzeichen "Löwe" die Kraft und den Glauben an mich weitergibt. Die Hoffnung, dass unser Leben positiver wird, die Freude wiederkommt - das hält uns am Leben und dient uns als Motivation weiterzumachen.
Genesungsfördernde Faktoren sind auch:
- Bedeutung und Sinn
- Potential zur Veränderung
- Kontrolle
- Aktive Teilnahme
- Ganzheitlicher Ansatz und soziale Einbeziehung
- Umwelt
- Optimistischer und realistischer Ansatz
Mittagspause.
Eine weitere Teilnehmerin wollte uns dann ihre Methode zum Stressabbau vorstellen: Lachjoga. Fast alle haben mitgemacht, doch mit der Zeit gingen viele aus der Runde. Auch ich, denn auf Kommando lachen ist nicht mein Thema, das habe ich ja beim Stricken schon gemacht. Aber neue Erfahrungen zu sammeln ist ja wichtig!!!!
Danach eine weitere Aufgabe: mit einem Partner über unsere Erfahrung der Hoffnung zu sprechen und uns auszutauschen. Es war interessant, wie jeder Einzelne damit umgeht und seinen Weg geht, oder auch nicht weiterkommt und die Sichtweise des anderen vielleicht näher betrachtet und ausprobiert. Diese Gruppendynamik ist einfach toll, mir gibt das sehr viel Kraft und Zuversicht, dass es immer weitergeht mit mir und meinem Leben.
Bis bald. :)))
Nach der Blitzrunde durften wir endlich in den wohlverdienten Feierabend und beladen mit einem vollen Rucksack von schönen, rührenden und traurigen Momenten fuhr ich nach Hause. Dieses Wochenende gilt es nun zu verarbeiten!!!
Montag, 30. Januar 2017
Sonntag, 29. Januar 2017
Diese Seite ist die Fortsetzung des 11. Tages (bitte nochmal den 11. Tag anschauen, da kommt noch richtig viel :))
Tut mir leid, dass das mit der Skizze nicht so gut zu lesen ist. Doch das Programm verfügt nicht über große Möglichkeiten. Man kann das Bild nicht drehen. :((
Kurze Erläuterung: Dieser Pilgerweg ist meine Lieblingsjogging-Runde und hat ca. 110 Höhenmeter. Als ich mit dem Training vor Jahren anfing, kam ich nicht weit, doch mit der Zeit lief es besser und ich traute mir auch kleine Steigungen zu. Entlang diesem Pilgerweg stehen die Stationen (13 an der Zahl ), die Jesus auf dem Weg zu seiner Kreuzigung durchlebt hat und jedes mal, wenn ich an einer Station vorbeikam und ziemlich außer Atem war, dachte ich an ihn, und dass er wohl Schlimmeres ertragen hat und trabte weiter. So gelang es mir, den ganzen Pilgerweg zu schaffen und als Belohnung den wunderschönen Blick über Rheinhessen bis zum Donnersberg zu haben. Der Rückweg war leicht und beschwinglich: es ging nur noch bergab. Nicht nur körperlich hat mich das Laufen gestärkt, sondern auch psychisch. Ich traute mir immer mehr zu, bis ich sogar meine kleine Rückenschule eröffnete. Das gab mir unheimlich Rückenwind. Mein wichtigstes Ziel dieser Reise habe ich erreicht: emotional bin ich nicht mehr von meiner Mutter und deren Verhalten abhängig. Und das ist ein so tolles und befreiendes Gefühl, endlich gehe ich Selbst-bewusst durch mein Leben.
Als Abschluss dieses schweren Tages folgte noch die Blitzlichtrunde. Etwas war heute anders, keiner wollte anfangen. Die Anspannung war sprichwörtlich zu greifen, und es war Respekt zu spüren: vor einem selbst und auch gegenüber allen Teilnehmern, deren Geschichten wir jetzt kennen. Vieles wird wieder sehr schlecht zu verarbeiten sein, einen zu Tränen rühren und eine Kloß im Hals zu haben. Den hatte ich, einen richtigen Kloß im Hals. Ich konnte nicht viel sagen, erschlagen von dem gehörten und erlebten Dingen. Ich hoffe, ich habe keine Alpträume. Gute Nacht!
Dienstag, 24. Januar 2017
11. Tag - Definition Recovery
Es gibt viele verschiedene Begriffe für Recovery. Es bedeutet so viel wie Genesung, Gesundung oder Wiedererlangen von Gesundheit; der Begriff kommt aus dem Amerikanischen. In den 90er Jahren schlossen sich psychisch kranke Menschen zusammen um zu zeigen, dass sie trotz dieser negativen Prognosen gesundeten. Zunächst gilt es die Erkrankung anzuerkennen und zu behandeln. In der Klinik beginnen wir nach der Ursache zu suchen und erste Genesungsschritte zu machen. Ich spürte das daran, dass ich Schritt für Schritt wieder Kontakt mit meinem Körper hatte. Jeden Morgen musste ich nüchtern um 6:30 Uhr zum Kneippen gehen; dabei wird man mit Wechselduschen behandelt. Ich habe es über mich ergehen lassen; was habe ich gefroren. Danach gab es Frühstück und dann Frühsport und dabei lernte ich mich wieder kennen. Auch bemerkte ich dann beim Joggen den schönen Park, die singenden Vögel und die Blumen. Es wurde bunter in meinem Leben, aber nur sehr langsam. Ganze 12 Wochen dauerte es bis zur Rückkehr in meine Familie. Und es gab eine kleine Hoffnung auf ein "normales Leben", wobei ich keinen Gradmesser hatte, was das ist.
Seinen eigenen Gesundungsweg zu gehen ist eine lebenslange Aufgabe. Es geht darum, sich mit seiner Erkrankung auseinanderzusetzen, die dadurch vorerst zerbrochenen Lebensentwürfe und Selbstbilder zu betrauern. Mein Genesungsweg ist einzigartig, jeder geht anders damit um. Seit 4 Jahren kämpfe ich mich aus Wirrwarr an Gefühlen langsam aber sicher nach draußen, natürlich mache ich auch mal einen oder zwei Schritte nach hinten, doch im Vertrauen an mich marschiere ich weiter, in kleinen Etappen.
Ich habe ja schon oft und ausgiebig über meine Vergangenheit und die Erschütterung nachgedacht, aufgeschrieben, formuliert und mit anderen Teilnehmern diskutiert. Doch nichts hat mich so zurückgeworfen wie die Aufgabe, die uns dann gestellt wurde. Wir sollten anhand eines Zeitstrahles den Verlauf unseres Gesundungsweges darstellen. Es ist etwas ganz anderes, es aufzuschreiben oder zu malen. Bei der Betrachtung dieser Arbeit wurde mir schnell deutlich, was alles passiert war. Und das ist eine ganze Menge, es wundert mich nicht im geringsten mehr, warum ich mit 30 Jahren in eine Klinik eingeliefert wurde. Nichts ging mehr, Akku leer, keine Hoffnung und Perspektive. :((
Es gibt viele verschiedene Begriffe für Recovery. Es bedeutet so viel wie Genesung, Gesundung oder Wiedererlangen von Gesundheit; der Begriff kommt aus dem Amerikanischen. In den 90er Jahren schlossen sich psychisch kranke Menschen zusammen um zu zeigen, dass sie trotz dieser negativen Prognosen gesundeten. Zunächst gilt es die Erkrankung anzuerkennen und zu behandeln. In der Klinik beginnen wir nach der Ursache zu suchen und erste Genesungsschritte zu machen. Ich spürte das daran, dass ich Schritt für Schritt wieder Kontakt mit meinem Körper hatte. Jeden Morgen musste ich nüchtern um 6:30 Uhr zum Kneippen gehen; dabei wird man mit Wechselduschen behandelt. Ich habe es über mich ergehen lassen; was habe ich gefroren. Danach gab es Frühstück und dann Frühsport und dabei lernte ich mich wieder kennen. Auch bemerkte ich dann beim Joggen den schönen Park, die singenden Vögel und die Blumen. Es wurde bunter in meinem Leben, aber nur sehr langsam. Ganze 12 Wochen dauerte es bis zur Rückkehr in meine Familie. Und es gab eine kleine Hoffnung auf ein "normales Leben", wobei ich keinen Gradmesser hatte, was das ist.
Seinen eigenen Gesundungsweg zu gehen ist eine lebenslange Aufgabe. Es geht darum, sich mit seiner Erkrankung auseinanderzusetzen, die dadurch vorerst zerbrochenen Lebensentwürfe und Selbstbilder zu betrauern. Mein Genesungsweg ist einzigartig, jeder geht anders damit um. Seit 4 Jahren kämpfe ich mich aus Wirrwarr an Gefühlen langsam aber sicher nach draußen, natürlich mache ich auch mal einen oder zwei Schritte nach hinten, doch im Vertrauen an mich marschiere ich weiter, in kleinen Etappen.
Ich habe ja schon oft und ausgiebig über meine Vergangenheit und die Erschütterung nachgedacht, aufgeschrieben, formuliert und mit anderen Teilnehmern diskutiert. Doch nichts hat mich so zurückgeworfen wie die Aufgabe, die uns dann gestellt wurde. Wir sollten anhand eines Zeitstrahles den Verlauf unseres Gesundungsweges darstellen. Es ist etwas ganz anderes, es aufzuschreiben oder zu malen. Bei der Betrachtung dieser Arbeit wurde mir schnell deutlich, was alles passiert war. Und das ist eine ganze Menge, es wundert mich nicht im geringsten mehr, warum ich mit 30 Jahren in eine Klinik eingeliefert wurde. Nichts ging mehr, Akku leer, keine Hoffnung und Perspektive. :((
Kaffeepause.
Es war richtig schwer, sich wieder auf die kommende Aufgabe zu konzentrieren. Doch der Schultag war ja noch nicht zu Ende. Wir haben ja gerade gelernt, was Recovery für jeden Einzelnen bedeutet und wie man lernt, mit seiner Erkrankung zu leben. Wir dürfen unsere Recovery-Geschichte als klassische Heldenreise (nach Watkins) betrachten. Beide Geschichten bestehen aus mehreren Etappen: dem Ruf; der Mentor; die Schwelle; der Weg und die Rückkehr.
In seinem Buch "Recovery - wieder genesen können", benutzt Watkins die Metapher der Reise bzw. der Heldenreise von Odysseus, um diesen oftmals sehr komplexen Prozess zu veranschaulichen. Hier ein kurzer Abriss: Odysseus war ein Herrscher oder König in Griechenland. Er hat ausschlaggebend dazu beigetragen, dass Troja eingenommen werden konnte - Troja die Stadt, die als unbesiegbar galt. Anstatt hierfür die Lorbeeren zu ernten, musste er sich den Göttern stellen, mit denen er es sich vorher verscherzt hatte. Sein sehnlichster Wunsch nach Hause zurückzukehren wo ihn seine Familie erwartete musste warten, denn die Götter verschlugen ihn ans andere Ende der Welt. Er irrte 10 Jahre umher und musste sämtliche Prüfungen bestehen, bis er nach Hause durfte."
Wen ich jetzt neugierig gemacht habe und ihr mehr wissen wollt, hier der Link zu diesem Buch "Recovery- wieder genesen können" :
Die nachfolgende Aufgabe fand ich gar nicht schwer - hatte ich sie ja vor nicht allzu langer Zeit durchlebt und vor Augen, jede Kleinigkeit.
Meine eigene Heldenreise: Eine Bestandsaufnahme - was habe ich erreicht, wo möchte ich hin und was ist dazu notwendig? Ich hoffe, die unter stehende Skizze ist zu lesen.
10. Tag - Recovery
Dieses Mal fuhr ich mit einem komischen Gefühl zur Schule. Zwischen diesen beiden Modulen ist mein Vertrauen in unterschiedlichen Punkten erschüttert worden, es geschahen Dinge die mich sehr bewegten und Gefühle tauchten auf, mit denen ich nicht gerechnet hätte. Im Innersten hoffte ich, dass es nicht geschieht. Stellte mich dann darauf ein und versuchte irgendwie durch diesen Tunnel zu kommen, ohne viel Schaden davonzutragen. Immer wieder wird mir so viel abverlangt auf meinem Weg zu bleiben, da passte dieses Thema genau. Ohne zu wissen, was auf mich zukam, welche Erschütterungen kommen sollten, starteten wir mit der Blitzlichtrunde. Ich war nicht allein mit meinen Gefühlen; viele hatten über die Feiertage Ähnliches erlebt.
Recovery - wieder genesen können. Hört sich gut an, aber: was bedeutet das für mich?
Die erste Diskussionsrunde hatte das Thema: Was macht für mich Lebensqualität aus bzw. was macht das Leben für mich lebenswert? Es wurde ausgiebig diskutiert und aufgeschrieben, nachgedacht und man hat richtig gespürt, wie sehr es in uns arbeitet. Was sehr erstaunlich war, keiner der Teilnehmer hat über materielle Dinge wie Haus, Auto, gut bezahlter Job, tolle Reisen gesprochen (natürlich aber über ein Einkommen, mit dem man seinen Lebensstandard finanzieren kann). Am wichtigsten sind für uns die Punkte: Angenommen sein wie man ist, Achtsamkeit mit sich selbst, Zeit für Hobbies zu haben, einfach sein zu können ohne etwas leisten zu müssen. Freunde und Familie um sich zu haben, die für uns da sind (in guten wie in schlechten Zeiten) und natürlich Gesundheit. Ist doch nichts besonderes denkt ihr bestimmt, doch für uns als Betroffene sind das sehr wichtige Dinge, die wir lange nicht erleben konnten; geschweige denn uns traute, es auszusprechen oder einzufordern.
Grundannahmen von Recovery
- Gesundung ist auch bei schweren psychischen Erkrankungen möglich!
- ohne Hoffnung geht es nicht!
- jeder Genesungsweg ist anders!
- Gesundung ist kein linearer Prozess!
- Gesundung geschieht auch, wenn Symptome fortbestehen und Krisen auftreten!
- Krankheit und Gesundung verändern Menschen!
- Gesundung ist mit, ohne und "trotz professioneller Hilfe" möglich!
Kaffeepause.
Danach wieder eine kleine Gruppe wählen (hatte wirklich schwierige Teilnehmer bei mir) und das Thema: Wie definiere ich für mich Recovery. Wir sollten einen Vortrag vorbereiten, was nicht machbar war. Mit einer Teilnehmerin hatte ich schon am Anfang es Kurses Schwierigkeiten; sie verlässt heulend die Runde, weil sie was falsch versteht oder es zu persönlich nimmt. So auch dieses Mal. Die Dozentin fragte, ob wir im Gespräch sind. Ich verneinte und sagte dass es nicht möglich wäre etwas zu schreiben. Irgendwann war die Zeit zu Ende und wir hatten kein Ergebnis, die anderen zwei Teilnehmer wirkten auch nicht aktiv mit. In der großen Diskussionsrunde musste ich dann darüber sprechen, warum es uns nicht gelungen ist. Ufff! Damit war aber das Thema noch nicht erledigt, ich wurde nach draußen gerufen, um mit der betreffenden Person zu reden. Ich fragte sie, was denn vorhin ihr Problem mit mir gewesen sei. Sie: ich habe was missverstanden!!!! (den weiteren Dialog erspare ich euch).
In der abschließenden Blitzlichtrunde geschah dann etwas Unerwartetes: Sie bedankte sich bei mir in aller "Öffentlichkeit", durch meine Bemerkung wurde ihr klar, was eigentlich ihr Problem ist. Zum ersten Mal sah sie die Beziehung zwischen Geld und Lebensmittel, die ganze Verstrickung zu ihrer Mutter und ihrer Vergangenheit. Sie wüsste aber nicht so genau, warum ich sie immer an bestimmten Punkten antriggern würde, es passierte eben. Ich musste ein paar Mal schlucken, damit hätte ich nicht gerechnet.
Endlich Feierabend, doch der Abend ging noch weiter. Ein Teilnehmer hatte Karten für das Gerry-Jansen-Theater organisiert und 14 Mitstreiter gingen mit. Wir haben so viel gelacht, es war ein super Abschluss von einem sehr bewegenden Tag.
Dieses Mal fuhr ich mit einem komischen Gefühl zur Schule. Zwischen diesen beiden Modulen ist mein Vertrauen in unterschiedlichen Punkten erschüttert worden, es geschahen Dinge die mich sehr bewegten und Gefühle tauchten auf, mit denen ich nicht gerechnet hätte. Im Innersten hoffte ich, dass es nicht geschieht. Stellte mich dann darauf ein und versuchte irgendwie durch diesen Tunnel zu kommen, ohne viel Schaden davonzutragen. Immer wieder wird mir so viel abverlangt auf meinem Weg zu bleiben, da passte dieses Thema genau. Ohne zu wissen, was auf mich zukam, welche Erschütterungen kommen sollten, starteten wir mit der Blitzlichtrunde. Ich war nicht allein mit meinen Gefühlen; viele hatten über die Feiertage Ähnliches erlebt.
Recovery - wieder genesen können. Hört sich gut an, aber: was bedeutet das für mich?
Die erste Diskussionsrunde hatte das Thema: Was macht für mich Lebensqualität aus bzw. was macht das Leben für mich lebenswert? Es wurde ausgiebig diskutiert und aufgeschrieben, nachgedacht und man hat richtig gespürt, wie sehr es in uns arbeitet. Was sehr erstaunlich war, keiner der Teilnehmer hat über materielle Dinge wie Haus, Auto, gut bezahlter Job, tolle Reisen gesprochen (natürlich aber über ein Einkommen, mit dem man seinen Lebensstandard finanzieren kann). Am wichtigsten sind für uns die Punkte: Angenommen sein wie man ist, Achtsamkeit mit sich selbst, Zeit für Hobbies zu haben, einfach sein zu können ohne etwas leisten zu müssen. Freunde und Familie um sich zu haben, die für uns da sind (in guten wie in schlechten Zeiten) und natürlich Gesundheit. Ist doch nichts besonderes denkt ihr bestimmt, doch für uns als Betroffene sind das sehr wichtige Dinge, die wir lange nicht erleben konnten; geschweige denn uns traute, es auszusprechen oder einzufordern.
Grundannahmen von Recovery
- Gesundung ist auch bei schweren psychischen Erkrankungen möglich!
- ohne Hoffnung geht es nicht!
- jeder Genesungsweg ist anders!
- Gesundung ist kein linearer Prozess!
- Gesundung geschieht auch, wenn Symptome fortbestehen und Krisen auftreten!
- Krankheit und Gesundung verändern Menschen!
- Gesundung ist mit, ohne und "trotz professioneller Hilfe" möglich!
Kaffeepause.
Danach wieder eine kleine Gruppe wählen (hatte wirklich schwierige Teilnehmer bei mir) und das Thema: Wie definiere ich für mich Recovery. Wir sollten einen Vortrag vorbereiten, was nicht machbar war. Mit einer Teilnehmerin hatte ich schon am Anfang es Kurses Schwierigkeiten; sie verlässt heulend die Runde, weil sie was falsch versteht oder es zu persönlich nimmt. So auch dieses Mal. Die Dozentin fragte, ob wir im Gespräch sind. Ich verneinte und sagte dass es nicht möglich wäre etwas zu schreiben. Irgendwann war die Zeit zu Ende und wir hatten kein Ergebnis, die anderen zwei Teilnehmer wirkten auch nicht aktiv mit. In der großen Diskussionsrunde musste ich dann darüber sprechen, warum es uns nicht gelungen ist. Ufff! Damit war aber das Thema noch nicht erledigt, ich wurde nach draußen gerufen, um mit der betreffenden Person zu reden. Ich fragte sie, was denn vorhin ihr Problem mit mir gewesen sei. Sie: ich habe was missverstanden!!!! (den weiteren Dialog erspare ich euch).
In der abschließenden Blitzlichtrunde geschah dann etwas Unerwartetes: Sie bedankte sich bei mir in aller "Öffentlichkeit", durch meine Bemerkung wurde ihr klar, was eigentlich ihr Problem ist. Zum ersten Mal sah sie die Beziehung zwischen Geld und Lebensmittel, die ganze Verstrickung zu ihrer Mutter und ihrer Vergangenheit. Sie wüsste aber nicht so genau, warum ich sie immer an bestimmten Punkten antriggern würde, es passierte eben. Ich musste ein paar Mal schlucken, damit hätte ich nicht gerechnet.
Endlich Feierabend, doch der Abend ging noch weiter. Ein Teilnehmer hatte Karten für das Gerry-Jansen-Theater organisiert und 14 Mitstreiter gingen mit. Wir haben so viel gelacht, es war ein super Abschluss von einem sehr bewegenden Tag.
Montag, 2. Januar 2017
9. Tag - Teilhabe - UN-Konvention - Gesetze
Beim Ritual der Blitzlichtrunde war allen anzumerken, wie sehr die letzten zwei Tage an uns genagt haben. Manche füllten mit ihren Karten eine ganze Flipchart, und beim Vorstellen seiner Psychiatrieerfahrung kamen vielen, auch mir, die Tränen. Das nennt man dann wohl Aufarbeitung. Einige konnten gar nicht darüber reden.
Teilhabe, was bedeutet das für uns? Ich habe z.Bp. wegen meiner Erkrankung keine Chance auf eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Einmal psychisch krank, könnte man ja wieder werden. Also habe ich nur eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung.:((
Andere Teilnehmer haben von ihrer Rentenkasse bescheinigt bekommen, dass sie berentet sind. Für sie heißt das, sie können nie wieder voll im Beruf stehen, auch wenn sie das könnten oder wollten. Sie dürfen nur noch einen sogenannten Minijob ausüben, ansonsten sind sie auf das Amt angewiesen.
Hoffen wir auf das neue Teilhabegesetz, das die Bundesregierung vor Weihnachten verabschiedet hat. Doch wir Betroffenen sehen das alles mit gemischten Gefühlen. Aber blicken wir positiv in das neue Jahr.
Euch allen wünsche ich ein gutes und zufriedenes neues Jahr, mit vielen berührenden Momenten.
8. Tag - Diagnose und die Auswirkung
Mit der Diagnose "schwere Depression" aus der Klinik entlassen zu werden, war auf den ersten Blick eigentlich gar nicht so tragisch. Allerdings hatte ich 12 Wochen hinter mir, in denen ich nur für mich und mein Dasein sorgen musste. Ich bekam einen strukturierten Tagesablauf und erholte mich auch gut. Zuhause dann mit zwei kleinen Kindern und keinerlei Unterstützung (mein Mann musste ja wieder arbeiten und die Familie wohnte weit weg), weder einer Haushaltshilfe noch dergleichen, fing das Hamsterrad wieder an zu laufen. Ich hatte mich verändert, mein Umfeld blieb das Gleiche.
Ich habe jetzt erst mit diesem Kurs begriffen, was eine Depression für mich und meine Umgebung bedeutet. Damals haben mein Mann und ich entschieden, niemandem davon zu erzählen. Auch den Kindern nicht, die aber schon spürten, dass mit ihrer Mama manchmal was nicht stimmte. Im Nachhinein tut mir das am meisten leid, doch damals schien es uns richtig. Das Wort "schämen" trifft es am ehesten, ich kam mir so wertlos vor, musste nicht arbeiten und konnte alles tun und trotzdem kam diese schwarze Wolke immer wieder vorbei. Es blockierte mich regelrecht, nach außen hatte ich alles im Griff; doch tief in mir war nur Chaos. Die Alkoholsucht meiner Eltern war ständig präsent, sie hatten kein Interesse an meiner Krankheit und auch an meinem Leben, auch heute ist sich meine Mutter keiner Schuld bewusst, warum ich denn so Probleme mit dem Leben hatte.
Was mir sehr gut geholfen hat war der Neubeginn mit Sport. Leider habe ich das damals aufgehört, die Kraft zu allem fehlte. Nach jedem Lauf an der frischen Luft und mit der Lieblingsmusik im Ohr fühlte ich mich, alles tat weh. Doch dieser Schmerz fühlte sich gut an, merkte ich doch, dass ich noch lebte und was leisten kann. Über die Jahre nahm ich dann auch wieder an kleineren Läufen teil, das gab Auftrieb und Lebensfreude.
Heute, im Moment, fühle ich mich richtig gut und freue mich jeden Tag auf das Leben. Sicher, es ist nicht immer leicht, doch ich habe einen Weg gefunden damit umzugehen. Und wenn, wie an Weihnachten, diese große schwarze Wolke kommt und mich wieder an meine Krankheit erinnert, dann versuche ich nicht dagegen zu kämpfen sondern sie so zu nehmen wie sie ist, ein Teil von mir.
7. Tag - Erfahrungen
Ein neues Modul beginnt und damit auch ein weiteres Thema. Nach der Blitzlichtrunde und der kurzen Besprechung über das Portfolio ging es los, und ich ahnte nicht was dieses Thema mir bedeutete: das erste Mal wurde mir bewusst, wie schwer krank ich war.
Nachfolgende Begründung dieses Themas: Menschen, die psychische Probleme haben, entwickeln durch ihre Erfahrungen Weisheit, Wissen und Einsicht darüber, zu überleben, das Beste aus dem Leben zu machen, Probleme zu bewältigen, mit psychiatrischen Institutionen umzugehen und zu verarbeiten, dass die Gesellschaft manchmal unterstützend und fördernd ist und dass soziale Unterstützungssysteme manchmal zu Benachteiligung führen.
Ein neues Modul beginnt und damit auch ein weiteres Thema. Nach der Blitzlichtrunde und der kurzen Besprechung über das Portfolio ging es los, und ich ahnte nicht was dieses Thema mir bedeutete: das erste Mal wurde mir bewusst, wie schwer krank ich war.
Nachfolgende Begründung dieses Themas: Menschen, die psychische Probleme haben, entwickeln durch ihre Erfahrungen Weisheit, Wissen und Einsicht darüber, zu überleben, das Beste aus dem Leben zu machen, Probleme zu bewältigen, mit psychiatrischen Institutionen umzugehen und zu verarbeiten, dass die Gesellschaft manchmal unterstützend und fördernd ist und dass soziale Unterstützungssysteme manchmal zu Benachteiligung führen.
Auf dem Bild könnt Ihr hoffentlich erkennen, wie unterschiedlich meine Erfahrungen in diesem Bereich sind. Eigentlich fing alles sehr hilfreich an, doch bis ich wirklich jemanden gefunden hatte, der mir richtig zuhörte und mit mir den schweren Weg der Aufarbeitung ging, das dauerte lange 16 Jahre. Am Anfang wurden nur meine Symptome behandelt, es galt einfach zu überleben. Über die Jahre hatte ich keine Energie mehr, dagegen anzukämpfen. Ich saß in einem tiefen Loch, alles war nur noch schwarz und schwer. Hoffnung auf Besserung hatte ich nach der Geburt meiner zwei gesunden Kinder, endlich einmal was richtig Tolles vollbracht; dachte ich mir. Jetzt muss es doch besser werden, doch leider kam es nicht so. Jeder Tag war noch schwerer zu gehen, schließlich hatte ich noch mehr Verantwortung. Klar, ich hatte auch viele sehr schöne und lustige Tage und Wochen. Doch wenn dann wieder eine Wolke der Traurigkeit über mich kam, konnte ich mich damit nicht aufheitern. Alles Positive meiner Familie und Freunden kam nicht in meiner Seele an, jeden Tag kämpfte ich einen aussichtslosen Kampf: glücklich zu sein.
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